Verlust der privaten Altersvorsorge von Geschäftsführern durch die Anordnung der Nachtragsverwaltung

Veröffentlicht am 1. September 2022 um 10:10

Autoren: Thomas Uppenbrink und Klaus Konrad

Gesellschafts- und insolvenzrechtliche Pflichten

Kleine und mittlere Unternehmen (sogenannte KMU) wählen häufig die Rechtsform der GmbH. Als juristische Person unterliegt die GmbH den gesetzlichen Vorschriften der Insolvenzordnung, die sehr stringent die Antragspflicht eines Insolvenzverfahrens regelt. Diese Antragspflicht betrifft die im Handelsregister eingetragene organschaftlich haftende Geschäftsleitung.

Anfechtungen und Schadensersatzforderungen in der Insolvenz

In der Praxis wird der Antrag aus vielfältigen Gründen häufig erst verspätet gestellt. Dies eröffnet dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, ungeachtet strafrechtlicher Konsequenzen, gegen die Geschäftsführung Anfechtungen durchzuführen und Schadenersatzforderungen wegen Insolvenzverschleppung einzufordern.

Man kann deshalb davon ausgehen, dass sich bei vielen Unternehmensinsolvenzen die Privatinsolvenz der Geschäftsführung anschließt, unabhängig davon, ob es sich um geschäftsführende Gesellschafter oder einen angestellten Geschäftsführer handelt. Das Risiko wird zusätzlich befeuert für den Fall, das Steuern und Sozialabgaben, die vor Antragstellung fällig waren, nicht bezahlt worden sind.

Bestmögliche Gläubigerbefriedigung ist oberste Priorität des Insolvenzverwalters

Das Insolvenzverfahren ist ein sogenanntes Gesamtvollstreckungsverfahren, mit dem Ziel, alle Gläubiger in gleichem Maße bestmöglich zu befriedigen. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt aus der Insolvenzmasse. Diese definiert sich als das gesamte Vermögen des schuldnerischen Unternehmens.

Eine der Hauptaufgaben des Insolvenzverwalters besteht nun darin, das gesamte Vermögen zu liquidieren und der Insolvenzmasse zuzuführen, um die Gläubigerforderungen bestmöglich auszugleichen. Und nebenbei bemerkt gilt auch: je grösser die Insolvenzmasse, desto höher die letztendliche Vergütung des Insolvenzverwalters.

Gehören Ansprüche aus Lebensversicherungen zur Insolvenzmasse?

Bei der Beurteilung, ob eine Lebensversicherung (häufig in Form einer Direktversicherung) des Geschäftsführers zur Insolvenzmasse gehört, also für den Geschäftsführer verloren geht, müssen das Insolvenzverfahren der GmbH und das Privatinsolvenzverfahren des Geschäftsführers getrennt voneinander betrachtet werden.

Insolvenzverwalter wird immer versuchen Lebensversicherungen zur Masse zu ziehen

Der Insolvenzverwalter, der das Insolvenzverfahren der GmbH durchführt, wird prüfen, ob er die Lebensversicherung zur Masse der GmbH ziehen kann. Da es sich um juristisch sehr komplexe Konstruktionen handelt, ist es dringend geboten für die Vertragsgestaltung von Lebensversicherungen einen versierten Fachanwalt zu Rate zu ziehen.

Angenommen die Lebensversicherung hat diese Hürde übersprungen und gehört nicht zu der Insolvenzmasse der GmbH. Dann hat der Geschäftsführer die Möglichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter die Aussonderung zu verlangen.

Anschließende Privatinsolvenz des Geschäftsführers als weitere Hürde

Das Risiko, seine Lebensversicherung zu verlieren, besteht jedoch nach wie vor. Denn in vielen Fällen schließt sich jetzt das private Insolvenzverfahren des Geschäftsführers an, ausgelöst durch hohe Forderungen des Insolvenzverwalters der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer aus Bürgschaften, Anfechtung oder ähnlichem. Es stellt sich in dieser Situation die Frage, ob die Lebensversicherung des Geschäftsführers nun zur Insolvenzmasse des privaten Insolvenzverfahrens gehört.

Differenzierte Betrachtung nötig

Hierzu hat der 9. Zivilsenat des BGH am 20.12.2018 (IX ZB 8/17) ein klärendes Urteil gesprochen:

Bei einer Lebensversicherung gehören Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall, die dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts zustehen, bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.

Ansprüche des Schuldners auf die Todesfall- oder Erlebensfallleistung aus einer für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung unterliegen der Nachtragsverwaltung, soweit die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.

Das Damoklesschwert „Nachtragsverwaltung“

Nachtragsverwaltung bedeutet, dass Vermögen, das zum Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens bestanden hat, aber erst nach Abschluss des Verfahrens zur Auszahlung kommt, der Insolvenzmasse zugeschlagen wird und nachträglich den Gläubigern zur Verfügung steht. Beispiel: die Lebensversicherung kommt mit Vollendung des 65. Lebensjahres zur Auszahlung.

Die Konsequenz dieses Urteils führt vereinfacht zu nachfolgendem Ergebnis: Wenn der Anspruch aus der Direktversicherung dem Schuldner dem Recht nach zusteht, dann fällt die Direktversicherung in die Insolvenzmasse seines privaten Insolvenzverfahrens, und somit kann die Nachtragsverteilung angeordnet werden.

Das BetrAVG schützt nur in der Anwartschaftsphase, das heißt die Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG führen zwar zur Unpfändbarkeit, dies gilt jedoch nur vor Eintritt des Versicherungsfalls. Mit Eintritt des Versicherungsfalls können also die Gläubiger auf die fällige Forderung zugreifen.

Verschiede Verläufe bei Nachtragsverteilung möglich

Die versicherungsrechtliche Ebene ist entscheidend dafür, ob eine Nachtragsverteilung möglich ist:

Schulder ist Versicherungsnehmer

Dritter hat widerrufliches Bezugsrecht: ja

Dritter hat unwiderrufliches Bezugsrecht: nein

Schuldner hat Bezugsrecht: regelmäßig ja

Schuldner ist versicherte Person

Schuldner hat widerrufliches Bezugsrecht: nein

Schuldner hat unwiderrufliches Bezugsrecht: ja

Die richtige Ausgestaltung der Versicherungsverträge ist entscheidend

Trotz der erfolgreichen Abwehr gegen den Zugriff von Gläubigern auf die Lebensversicherung, kann die Altersvorsorge mit der Anordnung der Nachtragsverteilung am Ende verloren gehen.

Entscheidend ist die richtige Ausgestaltung der Versicherungsverträge unter Berücksichtigung der individuellen und persönlichen Lebensverhältnisse des versicherten Geschäftsführers.

Unbedingte Prüfung auf widerrufliches Bezugsrecht

Wird die Lebensversicherung vom Unternehmen als Versicherungsnehmer abgeschlossen und der Geschäftsführer ist die versicherte Person, dann sollte zu Gunsten des Geschäftsführers ein widerrufliches Bezugsrecht vereinbart werden. Somit kann bei drohender Privatinsolvenz des Geschäftsführers das Bezugsrecht auf eine dritte Person übertragen werden.

Für den Fall, dass der Geschäftsführer Versicherungsnehmer ist, sollte das Bezugsrecht unwiderruflich zu Gunsten einer dritten Person vereinbart werden. Hier muss jedoch sorgfältig die bezugsberechtigte Person ausgewählt werden, da eine spätere Änderung nicht mehr möglich ist.

 

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